- EINLEITUNG: Das erste Medikament, welches nur Krebszellen tötet, aber keine gesunden
- I. WIRKSAMKEIT
- FALLBESCHREIBUNGEN
- ANTIVIRALE EIGENSCHAFTEN
- DIE INHIBIERUNG DER TUMORALEN ANGIOGENESE
- DIE UNTERSUCHUNGEN IN VIVO
- MODULIERUNG DES IMMUNSYSTEMS
- STRAHLENSCHÜTZENDE WIRKUNG
- MIKROWELLEN
- TOXIKOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
- NORMALISIERUNG DES STOFFWECHSELS
- DIE WIRKUNG AUF VERSCHIEDENE ENZYME
- WECHSELWIRKUNGEN MIT ANDEREN MEDIKAMENTEN UND BEHANDLUNGSMETHODEN
- II. UNBEDENKLICHKEIT
- III. QUALITÄT
- BIBLIOGRAPHIE
STRAHLENSCHÜTZENDE WIRKUNG
Bei klinischer Anwendung von NSC 631570 wurde beobachtet, dass die mit diesem Präparat behandelten Patienten besser die Strahlentherapie vertragen. Die Nebenwirkungen dieser aggressiven Therapieart wurden drastisch reduziert bis zu einem minimalen Niveau. Das gab den Anlass, die strahlenschützenden Eigenschaften von NSC 631570 in den Versuchen in vitro sowie in vivo zu erforschen.
Um festzustellen, ob die strahlenschützenden Eigenschaften von NSC 631570 ihren Ursprung in seinen Ausgangsstoffen haben, wurden an dem Forschungsinstitut für Militärmedizin (St. Petersburg, Russische Föderation) Versuche an Mäusen durchgeführt, welche der Bestrahlung in verschiedenen Dosen ausgesetzt wurden.
In den Experimenten an Mäusen wurde nachgewiesen, dass NSC 631570 eine vielmehr ausgeprägte strahlenschützende Wirkung hat als seine Ausgangsstoffe, was die Überlebensrate der Tiere und auch den Schutzkoeffizient betrifft. Zum Beispiel, bei der Strahlendosis 5,25 Gy war der Schutzkoeffizient für NSC 631570 95.0 ± 4.6, und für die Kontrollgruppe - 50.8 ± 4.6. Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass sich die strahlenschützende Wirkung von NSC 631570 signifikant von dieser seiner Ausgangsstoffen unterscheidet (132).
Weitere Versuche zeigten, dass NSC 631570 so die Zellkomponente des blutbildenden Systems moduliert, dass die gesamte Resistenz des Körpers gegen Bestrahlung steigt. In den Testversuchen an Mäusen wurden qualitative und quantitative Veränderungen in den hemopoietischen Vorgängerzellen und in den Myelokaryotyten und Leukozyten im Blut der bestrahlten Tiere nach der intraperitonealen Gabe von NSC 631570 (0,2 mg/kg) bestimmt. In der Kontrollgruppe wurden den Tieren die Kochsalzlösung verabreicht. Die Kolonien-bildenden Einheiten wurden in der Milz und im Knochenmark gezählt, sowie Myelokaryozyten und Leukozyten (Lymphozyten und Granulozyten). Die Ergebnisse dieser Studie haben gezeigt, dass NSC 631570 bestimmte Veränderungen in den verschiedenen Populationen der blutbildenden Zellen (Stammzellen, proliferierende, heranreifende und kompetente Zellen) hervorruft. Diese Änderungen betreffen die Größe der Stammzellenpopulation, die Kinetik der Proliferation der Stammzellen, die Richtung derer Differenzierung, die Zirkulierungsrate der Stamm- und Vorgängerzellen, die Wirksamkeit der Rekolonisierung der zellarmen Stellen und andere Parameter, was wiederum die Standardreaktionen der Hemopoesis und Immunogenesis auf die Bestrahlung modifiziert und die allgemeine Resistenz des Organismus steigert (77, 133, 249).
Die radioprotektive Wirkung von NSC 631570 wurde auch an den Infektionsmodellen in Mäusen bestätigt, wo diese Wirkung jener des bekannten strahlenschützenden Präparates Cysteamine überlegen war (134).
Im Vergleich mit anderen Präparaten zeigte NSC 631570 eine starke strahlenschützende Wirkung und war in dieser Eigenschaft dem Präparat Lymphokinin ähnlich. In der Studie an Mäusen wurde die Wirkung der vorbeugenden Gabe von Cysteamin, Naphthysin, Lymphokinin, Prodigiosan, Polyribonat und NSC 631570 auf die 30-Tage-Überlebensrate der bestrahlten Mäuse verglichen. Konventionelle Radioprotektoren beugten den Tod von experimentellen Tieren nach der Bestrahlung in dem Dosisbereich LD50/30 bis LD100/30 vor, waren aber ungenügend wirksam bei den Dosen mit dem mittleren letalen Effekt. Im Gegenteil, die Bioregulatoren NSC 631570 und Lymphokinin waren mehr wirksam im Dosisbereich LD50 to LD70/30 (1,5fach effizienter als konventionelle Radioprotektoren). Die Autoren haben die strahlenschützende Wirkung von NSC 631570 als „stark“ beurteilt (135).
Diese radioprotektive Eigenschaften von NSC 631570 wurden in weiteren Studien an Ratten am Institut für angewandte Zellkulturen (München) bestätigt. Nach der intraperitonealen Verabreichung hatte NSC 631570 keinen Effekt auf die Konzentrationen der Schilddrüsenhormone im Blut von Versuchstieren, erhöhte aber die Konzentration entsprechender Rezeptoren in der Leber der intakten Tiere während der ersten zwei Monate nach der Verabreichung. NSC 631570 normalisierte die Konzentration der nuklearen Schilddrüsenhormonrezeptoren nach der Ganzkörperbestrahlung der Ratten in der Dosis 1 Gy, beginnend mit dem ersten Tag nach der Verabreichung des Präparates. Die Autoren kommen zum Schluss, dass NSC 631570 die Folgen der Bestrahlung auf das endokrine System der Versuchstiere minimieren kann (172).
Nach der intraperitonealen Verabreichung übte NSC 631570 eine protektive Wirkung auf das hormonale System von bestrahlten Rattenweibchen. NSC 631570 normalisierte das intrazelluläre Glukokortikoidrezeptorsystem nach der Ganzkörper Bestrahlung von Tieren mit Gammastrahlen (1 Gy), beginnend vom 10. Tag der Verabreichung des Präparates. Es wurde festgestellt, dass NSC 631570 die Folgen der Bestrahlung auf das endokrine System der Versuchstiere minimierte (173).
Die protektive Wirkung von NSC 631570 bei Bestrahlung wurde auch an in vitro Modellen untersucht und bestätigt. Wissenschaftler der Eberhard-Karls-Universität (Tübingen, Deutschland) untersuchten die Wirkung von NSC 631570 alleine oder kombiniert mit der Bestrahlung (1-10 Gy) auf das Zellüberleben, die Modifizierung des Zellzyklus und die Induktion der Apoptose in den exponentiell wachsenden menschlichen Tumorzelllinien MDA-MB-231 (Brustkrebs), PA-TU-8902 (Bauchspeicheldrüsenkarzinom), CCL-221 (Dickdarmkrebs), U-138MG (Glioblastom) und in den menschlichen Fibroblasten der Haut HSF1, HSF2 und der Lunge CCD32-LU. Ohne Bestrahlung bewirkte NSC 631570 zeit- und dosisabhängige zytotoxische Wirkung, welche an Krebszellen mehr ausgeprägt war als an normalen Zellen. Kombiniert mit Bestrahlung, bewirkte NSC 631570 eine erhöhte Zytotoxizität gegenüber CCL-221 (Dickdarmkrebs) und U-138MG (Glioblastom) Zelllinien, nicht aber gegenüber den Zelllinien MDA-MB-231 (Brustkrebs) und PA-TU-8902 (Bauchspeicheldrüsenkarzinom). Was noch interessanter ist, auf die normalen humanen Haut- und Lungenfibroblasten übte NSC 631570 eine schützende Wirkung aus. Mittels Durchflusszytometrie wurde die differenzierte und zelllinienspezifische zytotoxische Wirkung von NSC 631570 bestätigt. Nach der Inkubation mit NSC 631570 für 24 Stunden akkumulierten die Zellen der Linien CCL-221 und U-138MG in der Phase G2, während in anderen Tumorzelllinien und in normalen Fibroblasten keine Änderungen gefunden wurden. Differenzierte Modulierung der Strahlentoxizität von NSC 631570 und seine protektive Wirkung auf die normalen menschlichen Fibroblasten spricht für seinen sinnvollen Einsatz in der kombinierten Radiochemotherapie (184).
In ihrer nächsten Studie über die Rolle der Proteine Fibronektin und Laminin in den Schutzmechanismen der Zellen gegen die Bestrahlung haben die Wissenschafter der Universität Tübingen NSC 631570 bereits als Referenzsubstanz eingesetzt (198).
NSC 631570 war wirksam in der Behandlung von rezidivierenden Atemwegerkrankungen in Kindern von der Tschernobylregion. Insgesamt 38 Kinder mit rezidivierenden respiratorischen Erkrankungen aus dem strahlenverseuchten Gebiet nach dem AKW-GAU wurden in die Studie involviert. NSC 631570 wurde intravenös in der Dosierung 5 mg zweimal pro Woche bis zu einer Gesamtdosis von 35 mg verabreicht. Die Kontrollgruppe bekam die Standardtherapie. Bei den Patienten der Ukrain-Gruppe wurde eine deutliche antientzündliche Wirkung im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen – Normalisierung der Leukozyten und der Blutsedimentationsrate. Die immunmodulierenden Effekte von NSC 631570 äußerten sich in der Optimierung der spezifischen humoralen und zellulären Immunität: IgG-Konzentration, phagozytare Aktivität der Neutrophilen, die Anzahl der Lymphozyten, der T-Lymphozyten und der T-Helper waren erhöht, sowie das Verhältnis Helpers/Suppressors (202).